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Locker, leicht und lässig

Zusammen mit den Spezialisten bei gumpo entwarfen Ana Relvão und Gerhardt Kellermann eine ganze Kollektion von Büromöbeln, die auf der diesjährigen Orgatec präsentiert wird. Wie ging das? Ein Gespräch über gute Zusammenarbeit – im Leben wie in der Arbeit.

 

Ana Relvão, Gerhardt Kellermann, wie sieht das Büromöbel der Zukunft aus?
GK: Möbel wechseln nicht so schnell wie technische Geräte, sie müssen also lange up to date bleiben. Wir denken an Screens, Trennwände und höhenverstellbare Schreibtische. Die Ansprüche an die Elektrifizierung steigen und alle brauchen Anschlüsse für Laptop und Smartphone. Zugleich will man so flexibel wie möglich bleiben.
AR: Es geht nicht um Styling, sondern um die Frage, wie Menschen morgen arbeiten. So entstehen keine superfuturistischen Entwürfe, sondern Möbel, die das Zeug zum Klassiker haben.

Ein hoher Anspruch. Was genau haben Sie gestaltet?
AR: Zum Beispiel einen Steh-Sitz-Tisch. Die Herausforderung bestand darin, aus vielen Standardteilen etwas Einzigartiges zu machen, ein eigenes gumpo-Produkt. Dazu einen Besprechungs- und Konferenztisch. Wir wollten eine lockere, lässige Lösung aus Plattenmaterial, Netzen und flexiblen Strompunkten. Wie eben heute die Bürowelten sind.
GK: Ein anderes Projekt war eine neue Typologie von Stehtisch, mit Rollen und einem speziellen Klappmechanismus, der schnell aufzubauen, leicht zu transportieren und bequem zu lagern ist. Im Grunde besteht er nur aus Platten. Die Idee dahinter: möglichst wenig Zukaufteile.
GK: Der Trolley schließlich hat kleinere Dimensionen als ein regulärer und kommt ohne die üblichen Ablagesysteme aus. Er bietet Platz für persönliche Gegenstände und Büroutensilien, der Rest befindet sich ohnehin auf dem Server und nicht mehr unter dem Tisch. Dabei nutzen wir den Oberboden als Ablage, die man mit einfachen Accessoires organisieren kann. Möbel können schon anders sein, als sie seit 30 oder 40 Jahren sind.

Die Kunst bestand dann darin, …
AR: … neue Formen zu finden, ohne deshalb Bewährtes über Bord zu werfen. Deshalb befindet sich auch ein Flipchart in der Kollektion

Die Kollektion wirkt sehr zurückhaltend. Warum das?
GK: Weil das die Architektur oft vorlebt, mit smarten, kleinen Lösungen. Unsere Möbel sind genauso, wir versuchen die passenden Stücke für das Denken der Architekten zu liefern.

Woher wissen Sie, wie Architekten ticken?
AR: Weil wir viel mit Architekten zusammenarbeiten. Unsere Projekte befassen sich mit Raum und Menschen. Wir suchen möglichst viele, möglichst andere Perspektiven. Es geht darum, Produkte preislich, funktional und ästhetisch so attraktiv zu machen, dass sie sich in Projekte integrieren. Mit einfachen und lässigen Lösungen, ähnlich wie die Architektur von heute selbst versucht, mit intelligenten Grundrissen, Materialien und Planungen, moderne und interessante Räume zu schaffen.
GK: Als Büronachbarn haben wir Architekten, die wir oft in der Pause fragen, ob sie dieses oder jenes gut finden würden. Wir zeigen Prototypen und holen uns direktes Feedback.

Gab es denn Kommentare?
AR: Besonders viele zum höhenverstellbaren Tisch, nach dem Motto: „Genau das brauchen wir.“

Ihr Ansatz bei dieser Kollektion?
GK: Es geht um die Frage, was gumpo kann: Wir wollten Prozesse nutzen, die es dort gibt. Und so gestalten, dass gumpo möglichst viel mit den eigenen Werkstätten herstellt, ohne viele Zukaufteile und Zulieferer.

Wie machen Sie das?
GK: Wir versuchen sogar auf Metall und Fußgestelle zu verzichten und mit Elementen von gumpo zu arbeiten. Wir gingen sogar ins Archiv bestehender Spritzgussteile und schauten, was wir verwenden können, ohne alles neu und von vorne zu entwickeln.

Sehen Sie sich als Autorendesigner?
AR: Gar nicht. Es wäre doch sehr vermessen, von unserem Projekt zu sprechen, da wir immer mit einem Team zusammenarbeiten. Hier hatte gumpo viel Anteil. Das Wichtigste für uns ist es, mit unseren Auftraggebern gut zusammenzuarbeiten. Wir wissen zwar viel über Produktionsmethoden, aber es gibt niemanden, der mehr darüber weiß, als diejenigen, die es tagtäglich tatsächlich tun.
GK: Autorendesigner ist zu sehr mit einer Person verbunden. Dabei geht es gar nicht um unseren Geschmack oder das Äußere. Sondern darum, gemeinsam eine Lösung zu finden, die absolut funktioniert.

Es geht also nicht um das Äußere?
GK: Es geht tatsächlich zunächst um die Logik der Benutzung. Und nicht um einen Stil, den wir einer Firma aufzwingen. Wir versuchen eher, die Firma genau kennenzulernen, um dann etwas Gemeinsames zu machen. Stil ist das …
AR: … Ergebnis einer Zusammenarbeit. Unsere Designsprache wächst aus der Funktion. Wir glauben, dass das einfachste Produkt auch das attraktivste für die Nutzer ist.

Daher sind Ihre Produkte sehr klar?
AR: Reduziert.
GK: Das Spannende ist doch, dass die Kollektion für ein Büromöbelsystem sehr neutral ausfiel. Hier geht es um Möbel für große Projekte, und da soll niemand ein Stil aufgezwungen werden. Es soll angenehm sein. Und reduziert.

Zielgruppe sind aber auch Architekten und deren Vorlieben. Warum?
AR: Es war extrem wichtig, Objekte zu entwickeln, die sich in moderne Architekturen einpassen. Wir hatten immer moderne Bürolandschaften im Kopf, daher sind die Möbel auch so reduziert. Sie dominieren den Raum nicht, sie fügen sich ein, werden Teil des Ganzen.

Zusammenarbeit ist ein wichtiger Teil Ihrer Arbeit. Nun sind Sie nicht nur ein Büro-Duo, sondern auch privat ein Paar. Wie spielen Sie sich die Bälle zu?
AR: Wir denken gar nicht groß darüber nach. Wenn andere versuchen, Arbeit und Freizeit auseinanderzuhalten, weil es um Geldverdienen geht und nach Dienstschluss um das eigentliche Leben, gibt es bei uns nichts Trennendes. Wir sehen die Arbeit als Teil unseres Lebens. Jeden Morgen sprechen wir über die Prioritäten des Tages, sonst läuft es sehr natürlich, sehr im Fluss.
GK: Arbeit und Leben zu trennen wäre wirklich schwer, vielleicht sogar unmöglich, da wir ständig von Produkten und Projekten umgeben sind, und wenn einem was einfällt, unterhält man sich sofort darüber. Spannend wird es immer dann, wenn wir beide zusammenkommen, um gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten.

Was sind die besonderen Stärken des anderen?
AR: Gerry ist ein Augenmensch, er kommt schnell zum zentralen Problem eines Projekts und visualisiert es sehr schnell, vorzugsweise spät am Abend.
GK: Und Ana ist die beste Kritikerin, so dass wir auf eine viel bessere Lösung kommen. Sie behält den Überblick.

Kritik kann ja auch zerstörend sein …
AR: Ich bin von Natur aus nicht negativ … (alle lachen). Aber auch nicht positiv. (Sie lachen noch mehr). Ich bin eher in der Mitte. Wenn ich kritisiere, geht es um die bestmögliche Lösung. Ich bin weder hart noch lieb, sondern ganz normal. Neutral eben.
GK: So bringt Ana Eleganz in technische Lösungen, denn sie gibt sich nicht mit der ersten Antwort zufrieden.

Was ist dann gutes Design?
GK: Design ist Kommunikation, es beginnt beim ersten Gespräch mit dem Auftraggeber. Am Ende muss das gestaltete Objekt zum Auftraggeber ebenso passen wie zum Nutzer. Dass es seine Funktion erfüllt, ist selbstverständlich. Es geht immer um die Frage: Warum sehe ich so aus, wie ich aussehe? Design muss verständlich sein. Dann wird es auch jemand wertschätzen, weil es mit seinen Nutzern kommuniziert. Das ist gutes Design.
AR: Ein Produkt ist niemals nur eine ästhetische Lösung, sondern eine Antwort auf viele Fragen.

Sie sind sehr jung und haben trotzdem viel gestaltet. Nun unterrichten Sie in Stuttgart. Was verändert sich dadurch?
AR: Gar nicht so viel. Diese Professur ist eine Verlängerung dessen, was wir hier tun: Wir helfen anderen, einen eigenen Weg zu finden. Im Grunde geht es um die gleichen Probleme, nur kommen neue Fragestellungen hinzu. Das war schon so, als wir als externe Designer bei Huawei arbeiteten. Wir geben Input. Natürlich erhalten wir viel Inspiration. Nicht so sehr durch die Produkte der Studierenden als durch ihre Fragen.
GK: Vielfalt ist immer spannend. Daher spezialisieren wir uns nicht auf ein Feld, sondern sind der Überzeugung, dass wir aus unterschiedlichen Industrien jeweils Erkenntnisse in andere übertragen und so Neues schaffen. An der Uni bleibt man einfach frisch, weil man mit ganz unterschiedlichen Menschen, Themen und Interessen zu tun hat.

Ähnlich wie Ihr Design selbst?
AR: Genau.

 

Interview: Oliver Herwig
Fotos: Tanja Kernweiss

Über Relvãokellermann

Die Designer Ana Relvão und Gerhardt Kellermann vergleichen ihre Arbeit gerne mit dem Lösen eines Sudoku-Rätsels: Bestehendes wird ständig hinterfragt und wieder und wieder angepasst; Funktion und Gebrauchswert eines Objekts bleiben dabei aber immer maßgebend für ihre Entwürfe.

So entstehen verständliche Produkte, die sich dem Anwender auf Anhieb erschließen, Produkte, deren reduzierte Formen eine unaufdringliche Lässigkeit und Eleganz ausstrahlen. Relvãokellermann leben und arbeiten in München. Neben internationalen Unternehmen sind sie auch für kulturelle Institutionen tätig und lehren als Gastprofessoren Industriedesign an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart.